
Blitz
Außer den beiden großen Brettern, gibt es ein paar Schachtische aus Beton, an denen gerne geblitzt wird.
Beim Blitzen hat jeder Spieler maximal fünf Minuten Bedenkzeit.
Man braucht dazu eine spezielle Uhr, wenn die Zeit eines Spielers abgelaufen ist, wird die Partie sofort beendet und er verliert, auch wenn er zu dem Zeitpunkt eine traumhafte Stellung hat.
Nach und nach bilden sich Trauben interessierter Zuschauer.
Im Gegensatz zu den Partien an den großen Brettern, wo es manchmal zugeht, wie im Tollhaus, wird dort nur geflüstert, jede Einflussnahme, jedes Hereinrufen ist tabu.
Die Spannung ist greifbar, die Atmosphäre elektrisierend.
An diesen Tischen finden lange Duelle statt, Zug um Zug, Partie um Partie. Manchmal geht ein solcher Zweikampf über Stunden, bis endlich der Sieger feststeht.
Der Nachmittag schreitet voran, das Sonnenlicht durchdringt den Blätterwald nun schon im spitzen Winkel. Auf beiden Brettern wird gekämpft noch hart gekämpft.
In der Zwischenzeit hat K. eine Figur geopfert. Das macht er gerne. In diesem Fall scheint das Opfer aber nicht korrekt zu sein. Nach kurzer Zeit wendet sich das Blatt und K. gerät ins Hintertreffen. Schließlich muss er aufgeben und jemand anderes nimmt seine Stelle ein.
Auf dem anderen Brett kämpft Do. mit M. gerade um sein schachliches Überleben.
„Es ist noch nicht vorbei, noch nicht vorbei“, ruft er mit seinem hellen Tenor und fügt hinzu:„Nichts passiert, nein, nein, gar nichts passiert“.
Dem Kenner der Materie genügt allerdings ein Blick, um zu sehen, wem hier die Stunde schlägt.
Darüber schweigt er aber und beobachtet fasziniert, wie Do. seinen elektrischen Rollstuhl virtuos über das Schachbrett bewegt.
Das Gefährt dreht sich hin und wieder um die eigene Achse, als würde Do., um an eine bestimmte Figur zu kommen, Pirouetten vollführen.
Unwillkürlich fragt sich der Beobachter, wie Do. denn an diese oder jene Stelle auf dem Brett herankommen will, überall stehen doch die Spielsteine und verwehren ihm scheinbar die Durchfahrt.
Jedesmal aber findet er eine verblüffende Lösung, manchmal umrundet er dabei das gesamte Brett, routiniert nimmt er dann eine Figur aus dem Spiel oder führt einen Zug über mehrere Felder aus, als wäre es das einfachste der Welt. Nebenbei gewinnt er ab und zu auch eine Partie. Diese hier ist aber eindeutig verloren, er will es nur noch nicht einsehen.
Tolle Beschreibung der Atmosphäre.
Titel sind auch such schon vergeben :
– Flüsterer
– Unbesiegbarer
– Bundestrainer
– Haubitze
Da kann niemand behaupten, beim Schach gibt es keine Emotionen
Nicht zu vergessen: Intercity, der Unbesiegbare, Jean-Paul und viele andere…
Jean-Paul ist der Beste !
Sehr schöne Beschreibung eine „ganz normalen Tages“ an der Schachanlage. Wunderbar von Dir in Worte gefasst und herrlich wie genau Du die unterschiedlichen Charaktere getroffen hast.
Manchmal ist das Drumherum des Spieles wesentlich interessanter als das Spiel selbst! Wer es nicht glaubt, einfach sich selbst ein Bild machen, täglich ab 15 Uhr 😉
Lieber Guido,
freut mich! Den Text hatte ich schon lange im Kopf und nun endlich die Zeit gefunden, das aufzuschreiben.
Interessant ist auch der Fortsetzungsroman:
https://wortaxt.de/das-geheimnis-des-praefekten-1/
Das erste Kapitel ist das schwierigste, danach wird es einfacher zu lesen,
Viele Grüße,
Mathias
[…] Oft treffen sich bei gutem Wetter im Park oder Zoo Schachspieler*innen im Freien und spielen gegeneinander. So etwa auch am Karlsruher Schloss. […]
[…] und das gute Wetter genießen. Einen netten Bericht zu dieser Freischachanlage lässt sich auf dem Blog von Mathias, dem Schriftführer von ÜBÜ […]