Schach!

Ein paar Anmerkungen zum Schachspiel und zu Schachspielern

De facto ist Schach ein Kriegsspiel, ein fürchterliches Gemetzel, bei dem am Ende die Armee des Gegners ebenso wie die eigene Streitmacht dezimiert wird.
Es geht darum, den feindlichen König zur Strecke zu bringen, deswegen ist das nebensächlich.

Der König ist erstaunlich unbeweglich.
Von einem ordinären Bauern unterscheidet ihn lediglich, dass er jeweils einen Schritt in alle Richtung laufen darf, aber nur, wenn sein Weg dabei nicht unter dem Einfluss feindlicher Soldaten steht. Wie armselig!

Vergleicht man den König mit der Dame, stellt man fest, dass auf dem Schachbrett die Gleichberechtigung die Realität schon längst bei weitem übertroffen hat.

Im Gegensatz zu ihrem impotenten Gemahl, der sich mühsam im Schneckentempo über das Schlachtfeld quält und oft hilflos einem Attentat zum Opfer fällt, wirkt die Dame geradezu wie eine männermordende Nymphomanin.
Das einzige was sie nicht darf, ist über eine andere Figur zu springen.
Das ist nur dem Springer erlaubt, deswegen heißt er ja auch Springer.

Jeder Schachspieler will zu jeder Zeit und überall besser sein. Wenn er gewinnt, demonstriert er allen anderen, dass sein Geist dem seines Gegners überlegen ist.

Wenn ein Schachspieler verliert, liegt das grundsätzlich nicht daran, dass er einfach fürchterlich gepatzt hat, oder sein Gegner ihm schlichtweg überlegen ist, sondern nur am Pech. Oder anders formuliert: Sein Gegner hatte Glück.

Eine Partie


Das Spiel nimmt endlich Fahrt auf. J. eröffnet mit c4, die Englische Variante.
„c4 ist so gut, so flexibel, damit kann man einfach nicht verlieren“, sagt er mit einem süffisanten Unterton und betont dabei besonders das Wort kann.
K. blickt nur kurz auf und zieht dann eine Weile schweigend seine Figuren. Es entsteht eine komplizierte Stellung mit Chancen und Risiken auf beiden Seiten.

In der Zwischenzeit ist A. eingetroffen. A. wird bald 100 Jahre alt und hat immer noch schöne, weiße Haare. Er humpelt ein wenig, das liegt daran, dass er, wahrscheinlich wegen einer Verletzung aus Kriegstagen, eine Beinprothese trägt. Mit seinen markanten Wangenknochen und dem wachen Blick, strahlt er immer noch eine gewisse Autorität aus.


Bei gutem Wetter lässt er es sich nicht nehmen, der Gesellschaft einen Besuch abzustatten.
Auch im hohen Alter spielt er immer noch eine gepflegte Partie.
Seit vielen Jahrzehnten ist A. für die Organisation und die Verwaltung der Schachbretter im Schlossgarten zuständig.

Einmal hat er mir ein wenig über seine Jugend erzählt. Damals zog er ein Foto hervor, das ihn zusammen mit General Alexander Haig zeigt. Über den Anlass zu dieser Aufnahme wollte A. mir damals nichts erzählen.
Alexander Haig war übrigens Stabschef des Weißen Hauses unter den US-Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford und er war Außenminister unter Ronald Reagan.

Lange Zeit gab es Gerüchte, dass Haig der Informant „Deep Throat“ gewesen sein könnte, der seinerzeit Richard Nixon in der Watergate Affäre zu Fall brachte.
Heute wissen wir, dass das nicht stimmt, es war Mark Felt vom FBI.

Es gibt auch eine Episode im 2.Weltkrieg in der A. eine Rolle spielt. Sein Leben könnte durchaus Stoff für einen Roman bieten. Ob Spionage- oder Kriminalroman, das sei dahingestellt.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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