Das Geheimnis des Präfekten, Kapitel 13

Ich ziehe mich an und mache mich auf den Weg.

Paris zeigt sich heute von seiner freundlichen Seite.
Keine Spur von der Tristesse vergangener Tage.
Die Wärme trocknet Pfützen und Rinnsale. 

Straßen und Plätze sind belebt.
Ich nehme die Metro zum 13. Arrondissement.

Die Bibliothek befindet sich am Quai François Mauriac, direkt an der Seine.

Ich steige eine Station früher aus, um noch eine Flasche Wein zu kaufen.

Nicht weit entfernt von der Nationalbibliothek gibt es einen Weinladen, die Cave des Gobelins.
Der Besitzer kennt sich sehr gut aus. 

Eine kleine Weinprobe versetzt mich in eine euphorische Stimmung. 
Einen Château Léoville Barton 2015 lasse ich einpacken und klemme die Flasche unter den Arm, außerdem stecke ich noch zwei einfache Weingläser und einen kleinen Korkenzieher ein.

Am Quai setze ich mich auf eine Bank und rufe Jacques an.

Im hellen Lichtschein dümpeln auf der Seine einige Restaurantschiffe, die vor Corona gut besucht waren, ohne Reservierung ging seinerzeit überhaupt nichts. Nun sind sie verwaist.

Jacques kommt mir entgegen, ich winke ihm zu und wir umarmen uns herzlich.

Er hat sich verändert.
Das Alter hat ihn fülliger gemacht.

Unter seiner gewölbten Stirn verstecken sich die gleichen lebhaften, dunklen Augen wie früher. Seine Haare, inzwischen Silberweiß, fallen wie eh und je in üppiger Pracht fast bis über die Schultern.

Sein großer Mund wird von kräftigen Lippen umrahmt, die eindeutig den Genießer verraten.

Obwohl er von von Gestalt eher klein ist, wirkt er durch sein einnehmendes Wesen und seine offene Art viel größer, er hat Charisma.
Heute trägt er ein zerknittertes, hellblaues, riesiges Leinensakko, dass locker um seinen Oberkörper fällt.

Schon immer habe ich mich gefragt, wie er seinen mächtigen Körper mit dieser geschmeidigen Eleganz durch die Welt bewegt.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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