Nina schläft noch. Ich greife mir das Päckchen, befühle es mit den Händen und schätze dabei das Gewicht, es ist leicht, vielleicht 200 Gramm.
Auf der Adresse steht:
3-chōme-1 Nihonbashimuromachi
Chuo City, Tōkyō-to 103-0022, Mr. Takeshi Kitano, eine Firma ist nicht angegeben.
Das Gebäude ist ganz in der Nähe.
Bei einem Kaffee spiele ich im Gedanken die Übergabe durch.
Ich werde ein Taxi nehmen, am Empfang nach Mr. Kitano fragen, wahrscheinlich erwartet er mich schon.
Ich nehme den Aufzug nach oben, gehe in sein Büro, stelle mich kurz vor, richte Grüße von Kaito aus, überreiche das Päckchen und verlasse das Gebäude um 100.000 Dollar reicher, ein Vermögen.
Das reinste Kinderspiel. Ich rechne aus, wie viele Artikel ich dafür schreiben müsste, höre aber bald damit auf, weil ich zu keinem Ergebnis komme.
In aller Ruhe ziehe ich mich an, Nina schläft noch immer.
Bald werde ich zurück sein und wir werden zusammen die Stadt erkunden, für ein paar Stunden wird sie mir gehören, eine verlockende Vorstellung.
An der Hoteleinfahrt stehen Taxis. Ich verzichte darauf, weil die Adresse in zehn Minuten zu Fuß zu erreichen ist und ich mich auf einen kleinen Morgenspaziergang freue.
Der Wind ist kalt, ich schlage den Mantelkragen hoch und laufe zügig die Straße entlang. Corona bestimmt das Bild: Vermummte Gestalten, die sich wie Roboter durch die Gegend bewegen.
Der Finanzdistrikt in Tokio ist groß. Täglich werden unvorstellbare Summen über Hedgefonds und Bonds abgewickelt. Besonders beliebt sind Kryptowährungen, ein Pluspunkt für Tokio.
Ein Hochhaus schiebt sich an das nächste, Glaspaläste, Betonburgen, Pilgerstätten des Kapitalismus.
Die Gegend ist aseptisch, sauber, klinisch, porentief rein. Eine achtlos weggeworfene Zigarette gilt hier als sakrilegisches Fremdobjekt, als extraterrestrische Fäkalie.
Spannend, freue mich auf die Fortsetzung