Das Geheimnis des Präfekten, Kapitel 7

Kurz vor dem Aufzug spricht mich ein Typ mit einer großen Narbe auf der Stirn laut an: „Kitano?“
„Wie bitte?“, ich versuche den grobschlächtigen Typen zu ignorieren. Unter seiner Stirn verbergen sich kleine Augen, über die sich große, knochige Brauen wölben.
Er richtet sich in ganzer Größe vor mir auf, ein Riese, ich schätze ihn auf über zwei Meter.
„Sie wollen zu Kitano?, schreit er mich an.
„Ich habe einen Termin, das ist richtig“, entgegne ich und schaue dabei auf meine Armbanduhr.

„Kitano, dieses Arschloch, richten Sie ihm doch Grüße von mir aus, ich bin sein Objekt, Kitano, dieses verfluchte Monster, ich bringe ihn um, ich töte ihn, er darf nicht entkommen, er will uns alle umbringen.“

Der Mann ist außer sich, wie ein Betrunkener torkelt er hin und her, während er seine Sätze durch die Halle brüllt.
„Was wollen Sie von mir“, frage ich und richte mir dabei den Krawattenknoten.

Ein Verrückter, denke ich, vielleicht schuldet ihm Kitano Geld, vielleicht hat er er ihm die Frau ausgespannt, sein Auto verkratzt, oder seine Katze getötet.

Der Mann lässt sich nicht beruhigen.
„Sie wissen genau, wer Kitano ist, er betrügt uns.“
Hilfesuchend blicke ich mich um, schon sind ein paar Leute von der Security unterwegs, schnell wird er außer Gefecht gesetzt. Er versucht sich noch zu wehren. Mit Faustschlägen und Tritten wird er so lange behandelt, bis er aufgibt. Kein schöner Anblick.

Im Aufzug ist Stille. Endlich. Ich fahre nach oben. Zum Ende, zum Geld, zu Nina.

Im 141. Stockwerk ist der Gang ist mit blauem Beton ausgelegt, am Ende sieht man ein gläsernes Büro.
Auf dem Flur liegt eine große Murmel, die ich gutgelaunt mit der Schuhspitze vor mich hin kicke.
Sie bleibt liegen.
Ich hebe das Ding auf und stelle fest, dass es ein Auge ist. Ein menschliches Auge.
Es tropft noch ein wenig Flüssigkeit heraus, in meiner Hand fühlt das menschliche Organ noch ganz warm an.
Vielleicht stehe ich schon leicht unter Schock, jedenfalls beobachte ich dabei, wie ich das Ding wie einen Autoschlüssel beiläufig in die Hostentasche stecke.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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