Die Schranke

K. biegt in eine Nebenstraße ein. Niemand ist unterwegs.
Gemächlich läuft er an den parkenden Autos vorbei.

An der Straßenecke steht ein nagelneuer Mercedes.

In der Mittagssonne glänzt der spiegelglatte, blaue Lack besonders schön.
Unauffällig nähert sich K., alles ist ruhig.

In der Hosentasche steckt sein treuester Begleiter, sein Klappmesser! Er kramt es heraus und öffnet es. Dann zieht er die Klinge sehr routiniert und zügig über die Autotüren.
Das helle, metallische Geräusch scheint niemand zu hören.
Als wäre nichts geschehen, geht K. in aller Ruhe die Straße entlang.

Die Begegnung

In der Zwischenzeit ist der Junge am Supermarkt angekommen.
Auf dem leergefegten Parkplatz davor steht ein kleiner Kiosk. Es gibt dort belegte Brötchen, Saure Gummis und Schokoriegel. Auch Alkohol wird verkauft, an die Älteren, versteht sich.

Nach dem Unterricht treffen sich dort immer ein paar Schüler, die laut und wild durcheinander plappern. Wer ein paar Pfennig übrig hat, kauft sich vielleicht etwas für den Nachhauseweg.

Der Junge nähert sich dem Kiosk und betrachtet die Süßigkeiten in der Auslage.
Er hat kein Geld dabei. Der Anblick der bunten Bonbons und der Schokoriegel lässt ihm keine Ruhe.

Plötzlich hört er eine Stimme. Es ist K.:

„Such dir was aus, ich kaufe es dir.“

Erschrocken schaut der Junge auf und betrachtet K. Was will er von ihm?
Hat er gerade gesagt, er würde ihm etwas kaufen?

K. hat lange blonde Haare und helle, blaue Augen. „Wie ein Engel sieht er aus“, denkt der Junge bei sich und hebt den Blick wie ein kleines Tier, das nicht genau weiß, ob da Freund oder Feind lauert.

Endlich zeigt er auf ein paar bunte Drops. Der Verkäufer packt sie wortlos in eine kleine Papiertüte. K. legt hastig ein paar Münzen hin.

„Weil ich dir etwas gekauft habe, musst du jetzt mit mir gehen. Ich will dir nur meine Hasen zeigen, die wohnen ganz in der Nähe“, sagt K. und fixiert dabei den Jungen.

„Was für Hasen?“, fragt der Junge neugierig.
„Babyhasen“, sagt K., „es gibt sogar einen kleinen silbernen Hasen, den darfst du füttern.“

Mechanisch läuft der Junge mit K. mit.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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