Schach!

Rede von Frau Staatssekretärin Dr. Gisela Splett aus Anlass der Einweihung der Gedenktafel für Albert Latchin im Karlsruher Schlossgarten am 08.03.2024

Sehr geehrte Familie Latchin, sehr geehrter Herr Honné, lieber Johannes, liebe Schachspieler,

zunächst zu der Frage, warum ich bei dieser Einweihung dabei bin: Der Karlsruher Schlosspark gehört wie alle Schlösser und Gärten des Landes zum Finanzministerium, in dem ich als Staatssekretärin dafür zuständig bin.
Wir haben uns hier zur Enthüllung einer Gedenktafel für Herrn Albert Latchin versammelt.
Herr Latchin wurde 1923 in Persien geboren. Sein Vater war im diplomatischen Dienst des „Schah von Persien“. Dadurch ist Herr Latchin in Südrussland aufgewachsen.
In den Wirren des zweiten Weltkriegs kam er nach Deutschland, wurde als russisch-sprachiger Aufklärer in den Krieg geschickt und hat mit viel Glück überlebt. Später arbeitete er drei Jahrzehnte in leitender Funktion bei einer „deutschen“ Abteilung der US-Armee in Karlsruhe.
Am Wochenende war er oft in seiner Ferienwohnung in Bad Herrenalb. Dort hat er sich im Kurgarten um das Freilandschachspiel gekümmert. Schließlich organisierte er zusätzlich samstags auch Schachturniere.
Lange Jahre fand jeden Samstag ein Schachturnier statt, außer Weihnachten und im Sommerurlaub der Latchins. Das besondere an diesen Turnieren: Alle Teilnehmenden bekamen einen Preis! Der Unterschied bestand nur in der Reihenfolge, in der sich die Teilnehmenden etwas vom Preistisch aussuchen durften.
Schließlich hat Herr Latchin seine Aktivitäten an seinen Wohnort nach Karlsruhe verlegt. Auch hier hat er sich intensiv um die Freiland-Schachspiele im Schlossgarten gekümmert.
Er erreichte, dass die Stadtverwaltung eine Zuschuss für die Figuren-Kisten zur Verfügung stellte, obwohl die Spielfelder hier auf Landes-Territorium liegen. Die Spielfelder und die Bänke wurden 2011/12 vom Land im Rahmen der baulichen Überarbeitung der Najadenwäldchen erneuert. Die ursprünglichen Schachanlagen stammen aus dem Jahr 1967 und wurden anlässlich der Bundesgartenschau errichtet.
Die Najadenwäldchen im Schlossgarten Karlsruhe sind zwei kleine separate Parkanlagen mit Laubbäumen, östlich und westlich der Achse zwischen dem Schloss und dem Schlossplatz. Zwischen 1813 und 1820 wurden die identischen Anlagen im Zuge der Neugestaltung des Schlossplatzes von Gartendirektor Michael Zeyher angelegt. Namensgeber sind die beiden Najadenbrunnen jeweils in der östlichen und westlichen Parkanlage.
Die Najaden sind übrigens weibliche Naturgeister aus der griechischen Mythologie, welche Quellen, Seen, Sümpfe, Flüsse oder Bäche bewachen.

Nun aber zurück zur Hauptperson des heutigen Anlasses. Herr Latchin hat auch hier zahlreiche Schachturniere veranstaltet, wieder mit Preisen für alle. Er hat auch erhebliches eigenes Geld eingebracht, etwa für Stühle, Tische und normalgroße Figuren.
Die Turniere wurden irgendwann nicht weitergeführt, aber überdauert hat die Aufmerksamkeit einer breiteren Schach-Öffentlichkeit für die Freiland-Bretter. Hier galt das Augenmerk von Herrn Latchin dem unbeschwerten Spielbetrieb. Wenn die Schlösser der Figurenkisten geknackt waren oder eine Figur fehlte oder was auch immer – Herr Latchin war zur Stelle und hat möglichst schnell für Abhilfe gesorgt. Dabei half ihm auch sein gutes Verhältnis zum Leiter des Schlossgartens.
Selbst mit 99 Jahren wurde Herr Latchin noch mit Ausnahmegenehmigung im eigenen Auto hier im Schlossgarten gesehen. Wenn die Figuren einmal nicht eingeräumt und dadurch gefährdet waren, hat Herr Latchin auch schon einmal durchgesetzt, dass die Kisten einige Tage als erzieherische Maßnahme nicht geöffnet werden durften.
Trotzdem oder gerade deshalb war Herr Latchin so beliebt, dass ihm zu Ehren diese außergewöhnliche Gedenkplatte errichtet wurde.
Die soll auch zukünftige Generationen daran erinnern, dass hier jemand als Vorbild für die Allgemeinheit selbstlos tätig war.
Als ich davon gehört habe, war ich sehr gerne bereit, diese Einweihung vorzunehmen.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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