Qui est Ubu?

Ein kurzer Blick auf die Handlung:


Der primitive, feige, gefräßige und machtbesessene Père Ubu wird von seiner Frau Mère Ubu angestiftet, durch ein Massaker an dem ehrbaren König Venceslas und seiner Familie den polnischen Thron zu usurpieren.
Mit der Unterstützung des Hauptmanns Bordure und seiner Spießknechte gelingt Ubu der tödliche Staatsstreich und er wird zu einem relativ populären Herrscher, bis er – gleichsam als erste Regierungsmaßnahme – beschließt, zum Zwecke seiner persönlichen Bereicherung sämtliche Adeligen und Staatsbeamten hinrichten (d. h. „enthirnen“) zu lassen.

Ubus nicht weniger radikale Steuerpolitik beinhaltet nicht nur die unbegründete Vervielfachung aller direkten und indirekten Steuern, sondern auch deren gewaltsame Eintreibung durch den König höchstselbst.
Als Ubu die polnische Bevölkerung immer mehr zu tyrannisieren beginnt, animiert der nunmehr abtrünnige Bordure den russischen Zaren Alexis dazu, gegen den entfesselt mordenden Despoten zu intervenieren.
Während sich Ubu also auf dem Feldzug gegen das russische Heer befindet, wird die „Regentin“ Mère Ubu von dem rechtmäßigen Thronerben Bougrelas gestürzt, jedoch nicht ohne vorher die Staatskasse geraubt zu haben.
Ubu selbst wird von der russischen Armee zwar vernichtend geschlagen, kann sich jedoch durch Feigheit und Tücke mit seiner Frau nach Frankreich flüchten, wo er sich zum maître des phynances ausrufen lassen will. (Wikipedia)

Die Story kommt Ihnen irgendwie bekannt vor?– aber ja, Jarry bedient sich hemmungslos bei Macbeth!
Die daraus entstandene Groteske im Stile eines Rabelais, diese Orgie der Gewalt und der Wörter, dieser Geniestreich, dieses Sauf-, Rauf-, Rülps-, und Schimpfstück wurde nur einmal aufgeführt, war aber natürlich der Höhepunkt der Pariser Theatersaison 1896.

Folgt man dem französischen Philosoph Jean Baudrillard, so werden in der Pataphysik „alle Dinge künstlich, giftig, was zu einer Schizophrenie führt, die von rosa Stuck-Engeln hervorgerufen wird…“.

Er schreibt:
Ubu, der gasförmige und karikaturenhafte Zustand, der Dünndarm und der Glanz der Leere. Denn hier, wo vielleicht alles Stuck und Talmi ist, selbst ein Baum aus Holz – und dieser große Bluff, der den Teig der Phänomene aufgehen läßt -, spricht nichts dagegen, daß der katabatische Abwind zum Stuck und Blabla schon lange vor der Form eingesetzt hat, die die angeblich wirklichen Gegenstände heute angenommen haben – und daß alles, bevor es im krebsartigen und imaginären Zustand zur Welt kommt – nur im krebsartigen und imaginären Zustand zur Welt kommen kann – was die Dinge nicht daran hindert, weniger falsch zu sein, als man denkt, das heißt…
Es gibt die Fassade und nicht nichts dahinter. Die bauchrednerische Geschwätzigkeit von Blasen und Gedärmen ist absolut.
Jedes Ding ist selbstgefällig, imaginär entstanden, ein Ödem, vielgliedriges Krebsgeschwür, ein Trauergesang.
Es gibt nicht einmal die Möglichkeit, geboren zu werden und zu sterben.
Das ist reserviert für den Stein, das Fleisch, das Blut, für das, was ein Gewicht hat.
Für die Pataphysik sind alle Phänomene absolut gasförmig.

Selbst die Anerkennung dieses Zustands, selbst das Bewußtsein des Pupses und des Juckreizes und des sinnlosen Koitus ist in keiner Weise seriös… und das Bewußtsein dieses Bewußtseins, etc. Ohne Ziel, ohne Seele, ohne Worte, und selber imaginär, aber auch notwendig, ist das pataphysische Pardox schlichtweg am Krepieren.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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