Ein Hochstapler, der Moderator und die Medien

Jahrelang wurde der Kinderpsychologe Michael Winterhoff von den Medien hofiert.
Der Bestsellerautor feierte Bucherfolge mit Titeln wie:

  • Warum unsere Kinder Tyrannen werden, oder: Die Abschaffung der Kindheit
  • Tyrannen müssen nicht sein: Warum Erziehung nicht reicht – Auswege
  • SOS Kinderseele. Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet – Und was wir dagegen tun können
  • Deutschland verdummt

Diese perverse Literaturliste lässt sich fortführen.
Der umtriebige Arzt, mit Praxis in Bonn, ist ständig unterwegs, um sein Evangelium gewinnbringend unter seinen Jünger*innen zu verbreiten.
Noch vor kurzer Zeit war eine Talkshow ohne Winterhoff, der sich selbst für den Guru unter den Kinderpsychologen hält, kaum denkbar.

Winterhoff macht sich Sorgen, er macht sich sogar große Sorgen um unsere Jugend. Und um unsere Gesellschaft. Seiner Meinung nach fehlt es an fast allem was die Jugend für eine erfolgreiche Zukunft braucht. Seine kruden Thesen verbreitet er bei zahlreichen Auftritten in Talkshows quer durch das Programmspektrum des deutschen Fernsehens.

Gewohnt schleimig schmiert Markus Lanz, er ist das Pseudosensibelchen unter Deutschlands Talkmastern, am 31.05.2019 seinem damaligen Gast Michael Winterhoff, die Fragen wie lauwarmen Rasierschaum auf die Backe.

Man unterhält sich launig über das Machwerk „Deutschland verdummt“.

Lanz verbrüdert sich gedanklich mit Winterhoff und versteigt sich schließlich zu der Frage:
„Wann ist uns das gekippt, wann ist uns das verrutscht?“

Der Verriss

Die Frage ist genau der Brocken, auf den Winterhoff gewartet hat.
 
Es folgt ein Rundumverriss des Bildungswesens. Winterhoff unterfüttert den folgenden, dümmlichen, unterschwellig rassistischen Monolog mit plakativen Negativbeispielen.
Ein besonderer Dorn im Auge des „Psychologen“ ist das sogenannte „Autonome Lernen“. Dabei geht es darum, den Schülern Eigenverantwortlichkeit zu vermitteln.

Geht es nach Winterhoff, dürfen Kinder auf keinen Fall eigenverantwortlich handeln, das ist Gift
Nein, Kinder sollen brav sein und sich in Abwarten und Geduld üben.

Unwillkürlich erwartet der Zuschauer, dass sich Winterhoff endlich seine tiefschwarze SS-Parade-Uniform überwirft und über den Untermenschen doziert. Sieg Heil!

Das ausschweifende Gesülze wird ab und zu von erstaunten Zwischenrufen des Moderators unterbrochen: „Irre“, „Gibt’s doch nicht“, „Ich kann das bestätigen“.

Nebenbei stellt Lanz, dieses Pfeifenmännchen der Möchtegern-Intelligenzija, der ebenfalls anwesenden Schauspielerin Janine Kunze die geistreiche Frage:

„Janine…, aus der Praxis, als Mutter von drei Kindern. Wie haben deine Kinder Lesen und Schreiben gelernt und können sie es überhaupt?“

Herzliches Lachen im Studio.

Hirsch Winterhoff röhrt im Hintergrund aus dem Platitüdenwald:
„Machen Sie mal den Straßenverkehr wie heute die Schule gemacht wird. Wir schaffen Protokolle ab, der Polizist redet nur noch, dann haben wir Anarchie!“

Wir lernen, dass Kinder im Kindergarten laufen und krabblen wollen, leider wird ihnen heute diese „Expansion“ genommen, unerhört ist das!

Ganz nebenbei erfahren wir, dass es bei Janine Kunze pädagogische Medienzeiten gibt. Nur zu diesen Zeiten darf der Nachwuchs Handy oder Playstation bedienen. Vielleicht schauen die Kinder ja später am Abend, unter der Bettdecke, heimlich Markus Lanz. Gegen die bleibenden Schäden helfen dann allerdings wirklich nur noch Psychopharmaka.

Phantasie-Diagnosen

Das Betrugssystem des windigen Arztes basiert auf dem Mantra einer sogenannten Diagnose mit der Bezeichnung fühkindlicher Narzissmus bzw. Eltern-Kind-Symbiose.

Diese vermeintliche Diagnose gibt es in der Psychologie nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Scheindiagnose mit dem Ziel, Einnahmen durch langwierige Pseudobehandlungen und Psychopharmaka zu generieren, von den vielen Vorträgen ganz zu schweigen!

Über die Jahre baut Winterhoff ein perfides System der Unterdrückung auf, ernsthaft behandelt wird in seiner Praxis niemand. Stattdessen nutzt der Psychologe, wenn es mal eng wird, seine zahlreichen Kanäle, die bis in die Jugendämter reichen, um sich lästiger Kritiker*innen zu entledigen. In besonderen Fällen wird auch mal ein Sorgerecht entzogen.
In neuster Zeit melden sich Opfer, die in der Kindheit von Winterhoff missbraucht wurden.

Winterhoff predigt Wasser, säuft aber Wein. Er verschreibt massenweise Pipamperon. Das Mittel verwandelt seine jungen Patienten in Zombies. üblicherweise wird das starke Medikament nur im Notfall eingesetzt.

Die Rolle der Medien

Eine besonders unrühmliche Rolle in dieser Geschichte spielen die Medien.
Ob Lanz, Plasberg oder Will. Alle sind sie dem Betrüger aufgesessen. Haben seine Hirngespinste verbreitet, haben sich missbrauchen lassen von einem professionellen Hochstapler.
Haben einem Betrüger die perfekte Bühne geboten, um seine gefährlichen Theorien zu verbreiten.
Haben sich zum Erfüllungsgehilfen eines Kriminellen gemacht!

Die Speerspitze der deutschen Talkshow-Industrie sollte am Konzept arbeiten.
Falls die Damen und Herren, nach Jahrzehnten in ihrer komfortablen journalistischen Blase, dazu überhaupt noch in der Lage sind.
Hintergrundrecherche und Faktenprüfung dürfen nicht länger nur betriebsstörende Faktoren sein.
Die Devise heißt ja immer: Quote machen, gerne auch mit Populismus. Pfui Teufel!

Es wird höchste Zeit, dass sich das Öffentlich-Rechtliche reformiert.
Die Sender müssen endlich transparent machen, was mit den Rundfunkbeiträgen passiert.
Angeblich soll der neue Rundfunkstaatsvertrag ja zukünftig folgenden Passus enthalten:

„Die Sender sollen mit ihren Angeboten unter anderem alle Altersgruppen gleichermaßen ansprechen, der Wahrhaftigkeit verpflichtet sein und der Sachlichkeit.“

Eine andere Möglichkeit wäre es, die Sendungen mit Lanz, Will, Plasberg und wie die Flachschwätzer*innen sonst noch heißen, im neu zu schaffenden Satirekanal auszustrahlen.

Abdruck und Einspeisung in Medien aller Art,
auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors. ©Mathias Guthmann, 2021


über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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