Das Geheimnis des Präfekten, Kapitel 8

Durch den Haupteingang kann ich nicht flüchten, raus geht es nur durch den Keller, durch die Garage.
Kaltes Neonlicht, irgendwo hallen ein paar Stimmen durch die labyrinthischen Eingeweide des Gebäudes. Ich haste durch die Autos hindurch zum Ausgang, an der Schranke ziehe ich pro forma den Mantelkragen ins Gesicht und verlangsame die Schritte. Ich schleiche an der Rampe nach oben, höre Stimmengewirr und Asphaltgetrampel.
Vor dem Haupteingang versammelt sich der bekannte menschliche Scheißhaufen, Bullen, Sicherheitsleute, Gaffer.
Langsam schleiche ich daran vorbei, meine Knie sind weich wie Kaugummi, an der nächsten Ecke kotze ich in einem sprudelnden Strahl auf die Straße.
Ich kleiner Anfänger bin auf einen Trick herein gefallen.
Unterwegs zum Shangri-La denke ich an Nina. Warum hat sie mich nicht gewarnt, was ist in ihr vorgegangen, als sie mich zu Kitano schickte?
Eine Bar ist offen. Ein paar Gestalten hängen herum und starren auf einen Monitor, in den Nachrichten ist das Geschehen schon ein Thema, kurz wird der Kopf der Sekretärin eingeblendet, sie haben noch keinen Verdächtigen.
Ich lasse mir einen Whisky, einen Kaffee und ein Bier bringen. Der Schnaps ist Raketenbrennstoff fürs Gehirn.
Ein gutes Gefühl, vielleicht hätte Feuerbach einfach mehr Schnaps trinken sollen, als er versucht hat die Existenz Gottes zu beweisen, der Idiot.
Ich bestelle noch einen Whisky und werde langsam betrunken, was mich nicht im Geringsten stört.
Nina, Nina, Nina. Ich kann nicht aufhören an sie zu denken.

Nina tut so, als würde sie noch schlafen. Sie wartet, bis er das Zimmer verlässt.
Es war eine schöne Nacht.
Als er weg ist, geht sie zum Kleiderschrank und nimmt ein Hemd in die Hand.
Es riecht anders als die von Kaito.
Kein Schweiß, ein Rest von Calvin Kleins Obsession, aufregend. Wie seine Küsse und seine Berührungen in der Nacht.
Plötzlich dreht sie sich ängstlich um, als würde jemand im Raum stehen und sie beobachten. Es ist niemand da.
Sie traf Kaito vor drei Jahren in Paris. Sie war nicht unerfahren und arbeitete schon einige Zeit erfolgreich in einer großen PR-Agentur. Sie wollte zeigen, dass sie etwas kann. Mit ihrem taktischen Geschick gelang es ihr, neue Kunden zu gewinnen und die alten, die immer auf der Suche nach der letzen Weisheit waren, davon zu überzeugen, dass die Agentur die beste am Markt ist.
Dabei durfte sie nicht zimperlich sein. Eine fremde Hand auf ihrem Schenkel oder eine scheinbar unabsichtliche Berührung ihrer Titten oder ihres Hinterns an der Bar bei einem Cocktail gehörten einfach dazu. Sie hat es ertragen.
Eines Abends wurde ihr ein dicker, schwitzender Kunde vorgesetzt.

In der Mitte seines aufgedunsenen Gesichts sah sie einen Mund mit dünnen, pastellroten Lippen. Über den Augenhöhlen waren maisgelbe Brauen mit einem glibbernden Brei aus Schweißperlen und Schuppen. Wenn er redete, verzog sich die Oberlippe elastisch um einige Zentimeter nach oben, er sah dabei aus, wie ein kleiner Arschloch-Pacman.
Er roch wie eine angeschwemmte Leiche. An seinen Händen waren kleine, wurmförmige Finger befestigt.
Wenn er sich aufrichtete, schwang sich der kegelförmige Körper in einer schwabbeligen Hula-Hoop-Bewegung um seine kurze Achse.

Nachts konnte sie nicht schlafen.

Eines Tages traf sie Tanaka. Sie war reif.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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