Das Geheimnis des Präfekten, Kapitel 3

Tanaka lässt eine schwarze Toyota Limousine vorfahren. Ein altersloser Fahrer öffnet uns die Türen, ohne uns dabei anzublicken. Wir setzen uns in den Fond uns sagen nichts.

Wir warten bis die Zeit vergeht auf Nina.

Endlich setzt sie sich vorne zum Fahrer. Sie trägt eine blaue Hose, eine Bluse in Pink und versteckt ihre Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille.

„Soll sie nicht hier sitzen?“ Frage ich und schiebe mein Gesicht so weit es geht nach vorne, um sie anzublicken.

„Ist ok, ich sitze gerne vorne“, dabei schaut sie uns beide kurz in die Augen.

Es geht über ein paar kleinere Straßen Richtung Kyoto, schließlich erreichen wir einen Highway, der in die Stadt führt. Ich werde mich nie an den Linksverkehr gewöhnen.

Die Reisfelder werden bewirtschaftet, die Ernte wird mit großen Maschinen eingefahren. 

Wir fahren wie ein Zug auf Schienen in Richtung Kyoto.
Auf der rechten Straßenseite rollt uns in einiger Entfernung ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit entgegen. Tanaka führt noch ein kurzes Gespräch über sein Handy. Unser Fahrer hält die Spur. Der große Wagen kommt näher, Nina fängt an zu schreien. Wir müssen ausweichen, der Toyota gerät außer Kontrolle, ich höre wie auf einmal Glas splittert und der Wagen den Boden verlässt, für eine Millisekunde ist totale Stille.

Als ich aufwache ist alles gut. Ich steige aus dem Auto aus und betrachte es von allen Seiten, es ist perfekt, als wäre es gerade aus der Waschanlage gefahren worden, völlig unversehrt.

Ich setze mich auf den Boden, der Schockzustand lässt nach, das Gehirn arbeitet. Wenige Meter vor mir sehe ich den den Fahrer, ich schleppe mich zu seinem Körper und ahne auf dem Weg, dass alle Anstrengung vergebens ist. 

Sein Kopf baumelt am Hals wie ein Hemd am Wäschehaken. Ein Bein ist amputiert, das andere im rechten Winkel abgeknickt, ein Geruch von Schweiss, Blut und Staub setzt sich auf die Atemwege.

Ich suche das Auto, überall sind Splitter, Stofffetzen und Staub. Meine Füße schmerzen. Meine Lunge scheint zu platzen. 

Wo ist Nina?

Irgendwo finde ich das verfluchte schwarze Blechskelett und versuche die Türe zu öffnen. Nina sitzt leblos auf dem Sitz. Ich schlage den letzen Rest der Autoscheibe mit einem Stein in Scherben und zerre sie herausheraus, dabei fließen mir Tränen und Schweiss über das Gesicht. Sie muss leben! Aber was hat dieses Gebet schon zu bedeuten?

Ich lege mein Kopf über ihre Brust und versuche den Herzschlag zu hören. Ein Schlag und noch einer und noch einer. Sie lebt.

Der Fond ist ein Blutbad, atmet noch jemand? Ich schaffe den schweren Körper Tanakas irgendwie aus dem Auto. Er nimmt instinktiv meine Hand ich rieche den Scheissegeruch.

„Bringen Sie bitte dieses Päckchen nach Tokio, Adresse steht darauf“. 

Auf einmal frage ich mich, was aus mir wird, in dieser verfickten  
Situation.

über den Autor

Mathias Guthmann

Mathias Guthmann schreibt für kulinarische und literarische Zeitschriften und den Schachsport.
Seine Essays und Kurzgeschichten, Kritiken und Interviews haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert.

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