Wir betreten den Patio und stehen auf einmal in einem, mit Pflanzen und Bäumen aller Art bewachsenen Regenwald. Drei große blaue Aras schlagen zur Begrüßung mit ihren Flügeln und drehen dann in der Luft elegante Kreise , gegen das helle Mondlicht sehen die Vögel aus, wie große, fliegende Schatten. Wir überqueren eine Brücke, die quer über den Patio führt, an einer Stelle sieht man ein Gehege, etwa zwanzig auf zwanzig Meter groß, darin springen zwei schwarze Panther zwischen einem künstlich angelegten schmalen Flüsschen und steilen Felsen fauchend herum.
Tanaka betrachtet stolz seine Tiere: „Ich habe sie aus Java, sie heißen Hiroshima und Nagasaki“. Nun kenne ich Tanakas Katzen.
Endlich betreten wir das Arbeitszimmer, besser gesagt, die Bibliothek des Präfekten. Ich schätze die Höhe des Raumes auf etwa sechs Meter. Die Wände sind mit Ebenholz-Regalen ausgestattet, in der Mitte werden sie von einer eleganten, schlichten Galerie mit Säulen aus Kirschholz unterbrochen.
An der hohen Decke hängt ein riesiger blauer Seiden-Gobelin, der sich unmerklich im sanften Luftzug des Raumes wölbt.
Abgebildet sind historische Szenen der japanischen Geschichte. Beleuchtet wird der Raum von einigen großen Ballons aus Milchglas, die sorgfältig im Raum aufgestellt sind und ein angenehmes Licht verbreiten.
Wie viele Bände hier untergebracht sind, vermag ich nicht zu sagen. Es müssen Abertausende sein, Originalausgaben, Manuskripte, Klassiker der japanischen und europäischen Literatur, Zeitgenössisches, alte Zeitungen, große Mappen mit kunstvollen Stichen aus vergangenen Zeiten.
„Lassen Sie uns einen Imbiss nehmen“.
Wir setzen uns an einen niedrigen schwarzen Lacktisch mit alt-japanischen Samurai Szenen. Eine Geisha im weißen Seidenkimono bringt uns gesenkten Blickes zwei winzige Porzellan-Schüsseln mit Reis und stellt sie in einer fließenden Bewegung vor uns auf den Tisch, ich erhasche einen Blick auf ihr hübsches Gesicht und fühle mich plötzlich sehr entspannt.
„Dieser Reis mit Dashi ist eine Spezialität unseres Hauses“, Tanaka blickt mich versonnen an, „seit Jahrzehnten wird er in diesem Hause auf die gleiche Art und Weise zubereitet, man darf das Rezept keinesfalls verändern“.
Ich atme das Aroma und probiere. Der Reis ist stundenlang im Dashi erwärmt und hat sich dabei nahezu dematerialisiert. Der übliche, intensive Geschmack der getrockneten Bonitoflocken tritt in den Hintergrund. Ein paar Algen flimmern mit einer fingerhutgroßen Menge Dashi auf der weißen Reismasse.
„Pures Umami, lieber Tanaka, pures Umami, das Gericht ist perfekt, harmonisch und spannend gleichzeitig, ein Meisterwerk“, sage ich anerkennend und führe mir dabei die Stäbchen lustvoll in den Mund.
„Heute Abend wollen wir Kaiseki zelebrieren“, Tanaka lacht bei diesen Worten wie ein großer Junge, der gerade ein Mädchen beim Umziehen in der Strandkabine beobachtet.
Ich mache mich auf etwas gefasst, ein Kaiseki-Mahl kann bis zu vierzehn Gänge beinhalten, darunter sind kleine Appetizer, die Sakizuke genannt werden, es wird Mukozuke geben, das ist eine Art Sashimi mit frischem, saisonalen Fisch. Es wird Gegrilltes geben, Suimono genannt und natürlich immer wieder schmackhafte Suppen.