Ich reise nach Kyoto, man hat mich dort für einen Umami-Kurs engagiert.
Eine schöne Stadt, besonders im April, es ist die Zeit der Kirschblüte. Überall finden Hanamis statt, man feiert mit Freunden und Familie in den Parks, zuhause, oder draußen in der Natur, der Sake fließt in Strömen. Zu diesem Fest lässt man in Japan fünf auch mal gerade sein.
Nach der Ankunft habe ich noch Zeit für einen kleinen touristischen Abstecher. Beim ersten Licht fährt mich ein Taxi zum Kinkaku-ji. Ich freue mich auf diese Ablenkung, mindestens genauso, wie auf das schöne Honorar für den Kurs.
Mit Kursen halte ich mich über Wasser, mit Reden für Firmenjubiläen und Trauerfeiern, mit Kritiken und Kurzgeschichten. Manchmal landet das Honorar sogar auf dem Konto, wir Lohnschreiber stehen ganz unten in der Nahrungskette.
„Wir würden Sie gerne für diesen Text haben, unser Budget gibt leider aber nicht viel her“. Diesen Satz höre ich fast immer, wenn ich gebeten werde, etwas zu einem bestimmten Thema zu schreiben, man gewöhnt sich daran, ich jammere nicht, jammern ist erbärmlich. Ironie ist besser. Ironisches Jammern am besten.
Kinkaku-ji ist mit Gold überzogen, der Tempel glüht im morgendlichen Sonnenlicht. Direkt davor gibt es einen kleinen See, in dem sich das Gebäude sanft lächelnd widerspiegelt.
Nur wenige Touristen sind um diese Zeit unterwegs. Ich beobachte eine schlanke, elegant gekleidete Frau, die unablässig fotografiert und dabei schrille, helle Entzückensschreie ausstößt. Wie wird sie sich wohl in anderen Situationen artikulieren? Der Gedanke begleitet mich auf der Fahrt ins Hotel.
Bevor ich das Zimmer betrete, bittet man mich freundlich darum, die Schuhe auszuziehen. Aus dem Fenster sieht man den Kyoto Tower. Außer dem großen Futonbett aus Zedern-Holz ist das Zimmer unmöbliert. Vor dem geräumigen Apartment gibt es einen kleinen, von einer Schiebetüre abgetrennten Raum für das Gepäck.